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Fünf aspekte zur beurteilung von kunst (Nach Peter Killer)
Wie beurteile ich ungewohnte bilder?
Karlheinz Stockhausen und Theodor Adorno 1960 in einer radiosendung:
Nun kommt ja aus dem widerstand gegen Neue Musik das argument: 'Ich verstehe nicht'. Mit dem muss ich mich wohl oder übel auseinandersetzen, wenn mir jemand vorwurfsvoll sagt: 'Also, ich verstehe nicht, was sie gemacht haben'! Das ist so ähnlich, wie wenn ich ihm sage: 'Also ich verstehe nicht, wie sie aussehen'. Er nimmt es nicht als eine gegebenheit hin, dass diese musik so und so ist, sondern sagt anspruchsvoll: 'Wenn ich das nicht verstehe, dann ist das nichts'.
Worauf der philosoph Adorno meint: 'Kein mensch würde es wagen, etwa einer wissenschaftlichen einsicht gegenüber zu sagen: Ja, ich verstehe nichts von physik, infolgedessen ist diese einsicht nicht wahr. Aber in der kunst herrscht eine solche vorstellung allgemein vor...'
Etwas später in derselben sendung:
'...daraus, dass eine sache sich durchsetzt oder erfolg gehabt hat, irgendwelche kriterien abzuleiten scheint mir völlig schief.
In der kunst ist genau das, was sich für gesichert hält, für nicht-experimentell, was also mehr oder minder sich im rahmen dessen hält, was schon vorgegeben ist, zumindest in unserer situation heute, völlig uninteressant und gleichgültig. Clichés, blosses nachbeten von formen, die ihre verbindlichkeit längst verloren haben. Nur das, was sich über diesen vorgegebenen umkreis hinauswagt, also das, was die spiessbürger experimentell nennen, hat eine chance, etwas zu treffen und den verblendungszusammenhang des clichés zu durchschlagen. Ich würde also, wenn ich es einmal paradox ausdrücken darf, sagen, dass man beinahe auf der sicheren seite ist, wenn man experimentiert, während, wenn man nicht experimentiert, man erst recht alles verliert.'
 Die form entspricht 
 dem inhalt 
In der regel geht es in der kunst um die verbildlichung von ideen mittels angemessener mittel. Ein dadaist, der keinen wert auf handwerkliche sorgfalt legt, ist nicht mit gleichen ellen zu messen wie ein mittelalterliche tafelmaler. Die absicht, die hinter den entscheidungen des machers steckt, ist mitzuberücksichtigen. Bestausgebildete künstler mit reichstem wissen um alle gestalterischen möglichkeiten, müssen auf der stufe des kunsthandwerklichen bleiben, wenn der funke des aussergewöhnlichen ihrer arbeit nicht leben einhaucht.
 Der eigen-sinn oder 
 innovationsgehalt 
Nachahmend kann man es als maler, bildhauer, zeichner zu hoher fertigkeit bringen; kunst bringt man als imitator nicht zustande. Nur aus dem eigenen heraus kann der künstler seiner arbeit sinn geben. Zwangsläufig wird dies etwas neues sein und ebenso logisch ist, dass das neue nicht sogleich verstanden wird.
Die kleine unwürdige schwester der innovation ist das originelle, der gag.
Eigensinn kann auch sturheit sein. "Stil" - den werken immer die gleiche sauce aufzwängen - ist nur beschränkt ein künstlerisches merkmal. Die innovationskraft erlahmt vielfach nach einiger zeit und der künstler landet in der repetition.
 Intensität  Vor allem in der expressiven kunst wird wahrheit existenz und existentielles wahrheit. Hier sollte man erwarten, dass der künstler aus einer 'inneren notwendigkeit' heraus formuliert, dass er selber existenziell betroffen ist und nicht den pinsel weglegen kann, wie der schauspieler seine rolle. Alle kunst ist eine todernste sache (wie ein intensives kinderspiel), auch wenn sie mit heiterem optimismus daherkommt. Intensität bedeutet heftigkeit, stärke, kraft. Intensive bilder wirken entsprechend auf uns. Sie dringen in unseres inneres, selbst gegen unseren willen. An diese mögen wir uns zu erinnern. Die plastizität der erinnerung ist gewissermassen gradmesser.
 Komplexität  Prägnanz und beziehungsreichtum ist die gegenposition zum banalen. Der bedeutungsreichtum wird individuell wahrgenommen und braucht den entsprechenden empfänger. Der bedeutungsreichtum kann auch herbeigeredet werden: Kitsch
 Ganzheit  'Das kann ich auch!" Beim noch so genauen kopieren, merkt man dann, dass das gewisse etwas fehlt: Die 'seele'.
Cuno Amiet: "Mir scheint alles das, was ein ganzes darstellt, darin liegt die kunst. Ein ganzes, das ist doch ein wesen, das aus teilen, die für sich schon ein ganzes sind, zusammengesetzt ist. Der kitt, der diese teile zum ganzen schweisst, geheimnisvoll und zauberhaft, das ist die kunst".
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