Inhalt  WAHRNEHMUNG Sie befinden sich im Kapitel 'Elemente und Ordnungen'
 Rezeptive felder  Die informationen, die die 120 mio stäbchen und 6 mio zapfen der netzhaut liefern, müssen vom hirn in stufen verarbeitet werden.

Sie werden in 1mio ganglienzellen zusammengefasst: Es bilden sich rezeptive felder aus. Es werden im zentrum weniger rezeptoren zusammengefasst als am rande des sehfeldes:
Im zentrum sieht man mehr und schärfer -
wahrnehmung geschieht hierarchisch.
Es gibt zwei sorten ganglienzellen, solche mit einem AN-zentrum und welche mit einem AUS-zentrum: unterschiede werden verstärkt.



Ganglienzellen, 10KB
 Augenbewegungen  Die lichtempfindlichen zellen der netzhaut senden signale zum hirn aus, wenn sie änderungen im auftreffenden licht feststellen. Um solche änderungen an grenzlinien entdecken zu können, führen die augen ständig kleine zitterbewegungen aus, um das bild des gegenstandes auf der netzhaut in bewegung zu halten. Unterbleiben diese bewegungen, so verschwindet das bild spätestens nach drei sekunden. Um die bewegung des bildes auf der netzhaut zu unterbinden, lässt man die versuchsperson durch einen apparat blicken, der den effekt jeder augenbewegung kompensiert. Wenn man so die lage der grenze des inneren grünen kreises auf der netzhaut festhält, wird der grüne kreis alsbald nicht mehr wahrgenommen, und die versuchsperson sieht nur noch die grosse rote kreisfläche. Flächensehen, 5KB Bei niederen tieren findet wahrnehmung 'in der netzhaut' statt; Frösche haben ausschliesslich bewegungsempfindliche rezeptoren, bei lurchen reagieren ganglienzellen ausschliesslich auf schatten mit waagrechter dominanz (Würmer).
 Denkender seher  Die sehnerven werden in den bei den kniehöckern verschaltet. Beim umfassenden sammlerblick wechselt die information lediglich die seite; beim fixierenden und distanzschätzenden jägerblick müssen die informationen beider augen auf derselben hirnhäfte verarbeitet werden können.
Der verlust des rundumblicks machte den menschen zum sozialen wesen.
Kniehöcker, 6KB
 Ideale  Die signale werden weiter zur primären sehrinde (Visueller cortex, 200 mio zellen, davon 1/2 verbunden mit dem scharfsehzentrum des auges) geleitet. Gewisse zellgruppen reagieren nur bei reizen, die eine bestimmte anordnung zeigen, zb gerade kanten - bestimmte richtungen - farbe - bewegung - information aus beiden augen usw. Hier liegt der grund für unsere idealvorstellungen gerade linie, rechter winkel, weder-noch-rot, usw. Linieninterpretation, 8KB Offenbar sind die neurorezeptoren im hirn daran schuld, die an hell - dunkel flächengrenzen stärker reagieren (Simultankontrast), dass wir fähig sind, überhaupt eine linie als flächengrenze aufzufassen.
 Erfahrung  Übergeordnete visuelle felder setzen diese teilinformationen zu sinnvollen einheiten (Blume, hut, haus, gesicht, usw) zusammen, indem sie nach vertieften kriterien analysiert werden und mit wissen, erfahrung und gefühl in zusammenhang gebracht werden. Die dabei auftretenden schwierigkeiten kommen in den 'optischen täuschungen zum ausdruck, die uns vermuten lassen:
Ich sehe nur was ich glaube.
Gewisse frösche können ihre hautfarbe der umgebung anpassen. Dies funktioniert nicht bei verschlossenen augen. Unterbricht man operativ die verbindung ins sehhirn, funktioniert die anpassung: Das auge hat direkte verbindung zur hirnanhangdrüse, die den farbwechsel hormonell steuert. Eine steigerung der helligkeit am arbeitsplatz von 500 auf 2000 lux verbesserte die leistung der arbeiter um 10% bei 20% weniger ausschuss und 50% weniger arbeitsunfällen.
 Unbewusst  Findet die verschaltung nicht ins denkhirn statt, sondern direkt zu andern steuerungszentren, läuft eine unbewusste reaktion ab. Ein beispiel ist die verbindung des auges mit dem 'schlafzentrum' zirbeldrüse, das die ausschüttung des 'hormons der dunkelheit' bewirkt: Steuerung des schlaf-wachrhythmus, der jahreszeitlichen befindlichkeit.
 Bildersehen  Die fähigkeit zur wahrnehmung ist angeboren und muss durch lernen noch 'geeicht' werden. Dadurch werden im kleinkindalter hirnstrukturen ausgebildet und festgelegt, die später nicht mehr erworben werden können.

Bildersehen ist angeboren.

Kinder zeichnen die dinge, wie sie sind, und nicht wie sie aussehen. Der naturalistische künstler hat 'netzhautbewusstsein' und kann die dinge so darstellen, wie sie aussehen - und nicht wie sie sind.
Das arbeitsfeld des 'abstrakten' künstlers ist die welt hinter der netzhaut. Das schöne ist das wahre in der weise der wahrnehmbarkeit. (Mondrian)
> Ein forscherehepaar liess ihren sohn zwei jahre ohne kontakt mit bildern aufwachsen: Er konnte strichzeichnungen und fotos trotzdem problemlos interpretieren. Bedingung ist, dass der betrachter versteht, dass er die darstellung und nicht das bild als gegenstand beschreiben muss. Auf konvention beruht die interpretation zb einer dargestellten geste: Bedeutet die stellung der dargestellten figur tanz oder kampf?
 Aufmerksamkeit  Wahrgenommen wird nur, wofür aufmerksamkeit verwendet wird.
Zwei menschen nehmen beim betrachten derselben figur dasselbe wahr, interpretieren es anders, je nach motivation und erfahrung.
Wahrnehmung beruht zt auf mehrdeutigen reizen. Zuerst wird eine befriedigende lösung erreicht, die beibehalten wird, bis sich durch mehr information eine bessere interpretation ergibt (Zb bewegungsinterpretation beim anfahren eines zuges).
Blindgeborene, denen im erwachsenenalter durch operation die sicht wiedergegeben wurde, lernen das 'wahrnehmen' nicht mehr. Hingegen können sie 'strichzeichnungen' aus erhabenen linien auf einr fläche richtig wahrnehmen.
 Nicht passiv  Wahrnehmen ist ein aktiver vorgang. Bleibt der mensch ohne sinnesinformation (Schalltoter raum, einzelhaft), fängt er an zu halluzinieren.
Weshalb sehen dinge aus, wie sie aussehen?
Sie sehen so aus, weil die information ihres reizes durch kognitive operationen (Denken) verarbeitet werden. Das mosaik von informationen muss vom hirn organisiert werden: Der bevorzugte hauptmodus erschliesst, wie die dinge sind, ein zusatzmodus (mehr oder weniger im hintergrund) weiss, wie die dinge aussehen. Der geist bringt organisation in den reiz, folgt bestimmten (Unbewussten) schlussregeln, und spricht unmittelbar auf reizrelationen an. Er rechnet, macht annahmen, um sensorische informationen und auch andere aspekte zu berücksichtigen. Wahrnehmung wird durch erfahrung verändert, ist lernfähig. Sie ist demzufolge intelligent, auch wenn sie nonverbal und vorbewusst funktioniert.
Die wahrnehmung ging in der evolution dem bewussten denken voraus. Sie entwickelte sich aus der notwendigkeit, aus einem mehrdeutigen reiz wirklichkeitsnahe rückschlüsse auf die umgebung abzuleiten. Vielleicht hat sich daraus die fähigkeit zum bewussten denken entwickelt.
So wäre denken wahrnehmungsähnlich.
Ein bewegungsnachbild entsteht, wenn man längere zeit einen wasserfall fixiert und sich dann die landschaft aufwärts zu bewegen scheint.
Hält der betrachter still und bewegtsich das objekt, bewegt sich das bild auf der netzhaut. Das netzhautbild bewegt sich auch, wenn der gegenstand stillhält und der betrachter sich bewegt. Es ist noch ungeklärt, wie die wahrnehmung die unterscheidung schafft.
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